Das Gauklermärchen nach dem Theaterstück von Michael Ende Jugentheater-Projekt an der Rudolf Steiner Schule Bochum Langendreer Bochum 2005 Die Arbeit am »Gauklermärchen« für eine 8. Klasse in Bochum war ein „Feuerwehreinsatz“, weil ein Lehrer mit dem Vorhaben an seine Grenzen stieß. Es steht außer Frage, dass selbst der beste Waldorflehrer nicht in jedem Fach ein Profi sein kann. Beim besten Willen nicht. „Sie sagen, es macht keinen guten Eindruck, wenn ausgerechnet – so ein Kind bei uns ist…“ Ein kleiner Zirkus steht vor dem Ruin. Da bietet ein Chemiekonzern den Gauklern an, als Werbetruppe für seine Pharma-Produkte durchs Land zu ziehen. Sie müssten sich dafür allerdings von Eli trennen, einem behinderten Mädchen, das die Zirkusleute drei Jahre zuvor nach einem Chemieunfall im Straßengraben aufgelesen haben. Hintergründe Die Entscheidung zu diesem 8.Klass-Spiel war nicht nur einfach. Mein Sohn war Schüler dieser Klasse und ich fürchtete um schwierige pädagogische Situationen, die glücklicher Weise nicht eintrafen. Das das Stück auch ein kleines innerfamiliäres Projekt werden durfte, da Birgit Gericke (die Mutter) das wunderbare Bühnenbild gestaltete, war ein seltenes und großes Geschenk. Wir bezogen den gesamten Saal mit ein, die Wände wurden beidseitig bemalt, um schnelle Umbauten zu ermöglichen und nicht zuletzt wurde mitten im Stück ein Spinnennetz über das gesamte Publikum gespannt, über das sich eine riesige Spinne über ein Seilbahnsystem geführt bewegte. Da die inhaltlichen Hintergründe bei mir während des 8-Klass-Spieles nicht im Vordergrund stehen, sondern das Verwandeln des Außenraums, die Figur und Rolle, machte ich mir vor Beginn der Proben keine besonderen Sorgen um das Gelingen des Projektes. Trotz alledem freute mich die Auseinandersetzung einiger Schüler mit dem Unglück von Seveso, von dem Michael Ende für das Stück angeregt war. So musste ich inhaltlich wenig einbringen, da diese Dinge aus der Klasse auf mich zu kamen. Ein großes Problem hingegen stellte die Sprache für mich da, oder im Grunde der Umgang mit dem Text. Um die Proben wenigstens rudimentär vorzubereiten, „erarbeitete“ allerdings ein Deutsch-Lehrer im Vorfeld den Text mit den Schülern. Das »Gauklermärchen« ist ein reines Reim-Stück und es dauerte bis zur Premiere, den Schülern das „Leiern aufs Satzende hin“ abzugewöhnen. Die Klasse stellte sich insgesamt als sehr starke Theater-Klasse heraus. Für ein Stück in dieser Altersstufe konnte man aus dem Vollen schöpfen, was den Prozess natürlich sehr ergiebig macht. Manche Schüler sind mir noch heute klar in Erinnerung, weil sie mit ihrem großen Talent immer an die Grenzen und darüber hinaus gingen. Ich musste die Spielfreude zuweilen eher bremsen als fördern, manche mussten jedoch auch erst einmal auf ihre Fähigkeiten hingewiesen werden, oder gelockt, wenn sie sich zu wenig zutrauten. Wie sehr sich eine Klasse in dem recht überschaubaren Zeitraum von drei, vier Jahren vor allem sozial wandeln kann, musste ich wenige Jahre später erfahren, als ich mich mit ihnen an das Spiel in der zwölften Klasse machte. In der Zwischenzeit hatte sich die Klasse deutlich in Kliquen aufgespalten, die sich klar, zum Teil fast feindschaftlich gegeneinander abgrenzten. Wie schön, dass ich die Schüler nochmal bei ihrem Schulabschied erleben durfte, wo sie nochmal ein Stück weiter gereift waren und sich nach einer Griechenland-Fahrt sehr sozial, vor allem aber beneidenswert lässig und cool begegneten.
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