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Interview zu »solveig, ein jahr« / Solveigs Hof

Herr Thon, Sie haben als Schauspieler, Regisseur und Autor die letzten achtzehn Jahre die unterschiedlichsten Projekte im staatlichen Theaterbetrieb und der Freien Szene durchgeführt. Ihre Auftraggeber waren Bundesländer oder Pfadfindergruppen. In verschiedenen Musical-Projekten haben sie mit dem Liedermacher Konstantin Wecker und Christian Berg versucht Wege zu finden, Kindern neu Geschichten zu erzählen. Letztes Jahr eröffnete in Berlin die Bertelsmann-Dependance mit einem großen Event unter ihrer Regie. Was führt einen Regisseur von Berlin augerechnet nach Rulle in ein Projekt an eine Jugendhilfeeinrichtung?

Der Kontakt zum Solveigs Hof kam auf einem Workshop zustande, den ich vor drei Jahren in Lübeck gab. Dort nahm der Leiter der Einrichtung teil und fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, ein Theater-Projekt bei ihnen durchzuführen. Ich sehe eine solche Arbeit immer als große Chance etwas auszuprobieren, was ich dann wieder in andere Projekte mit einfließen lassen kann. Zudem wollte ich schon immer den Gynt inszenieren, aber eben ganz neu, ganz anders. Als ich dann zum Solveigs Hof kam – das werd ich nie vergessen – fragte ich nach der Bühne. Aber ich stand schon dort: in der Tenne eines alten Bauernhofes. Meine Bühnenentwürfe konnte ich schon mal vergessen und die Beleuchtung steuerten wir später über den Sicherungskasten. Was ich sagen will ist, das hier kein großer Aperat hilft wie im Stadttheater, sondern nur noch Phantasie. Und das ist natürlich genauso mit dem Ensemble. Nicht nur, dass man mit Non-Professionals arbeitet, sondern Mernschen mit den unterschiedlichsten Biographien gegenübersteht, die ihnen auch sehr unterschiedlich erlauben, die Arbeit zu stützen und mit zu gestalten. Das ist eine riesen Herausforderung.

Hat die Jugendlichen denn der Ibsen-Text wirklich interessiert, oder haben Sie ihn mit der Einrichtung einfach vorgeschlagen und gesagt: den machen wir jetzt einfach.

Nein natürlich nicht. Das geht in solchen Zusammenhängen gar nicht. Die Theaterarbeit gehört zum Freizeitangebot der Jugendlichen, ist also freiwillig. Wenn ich da keine griffigen Argumente und keine Form habe, die die wollen, dann steh ich am Ende alleine da. Deshalb habe ich auch nicht den Originaltext genommen, sondern etwa zwanzig Situationen des Urstoffes versucht ins Heute zu adaptieren. Wie wäre Peer heute? Was wären jetzt seine Probleme? Wie würde er sie meistern? Und so weiter. Und im Gespräch mit den Jugendlichen habe ich meinen Text dann immer wieder überprüft.

Sie haben den Text also extra für die Einrichtung geschrieben?

Ja. Das ist auch nur so sinnvoll. Ich muss zunächst schauen, wo steht der einzelne Jugendliche, wie kann er sich mit dem Stoff verbinden; was reizt ihn aus seiner eigenen Biographie heraus zur Auseinandersetzung und wie will er sie umsetzen. Und dann schreib ich den Text auf jeden einzelnen zu. Die Jugendlichen sagen mir dann schon: "das würde ich nie so sagen". Dann wird der Text eben wieder geändert, bis er für mich und das Ensemble stimmig ist.

Das heißt, das Stück lief mehr oder minder komplett aus einer Hand. Sie haben den Text geschrieben …

… die Regie besorgt, das Bühnenbild und die Figuren gebaut, die Kostüme ausgesucht, die Plakate entworfen, kopiert, aufgehängt und die Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Aber das meine ich ja gerade: am Theater ist man komplett von den anderen Bereichen abgeschnitten. Da macht man seinen Job als Schauspieler oder Regisseur und fertig. Hier darf man alles machen und die Aufführung ist dann im Grunde nur noch das Sahnehäubchen am Ende.

Was wollen Sie vor allem den jungen Menschen mit so einem Projekt mitgeben, was steht für Sie an erster Stelle?

Zunächst der Umgang mit Sprache und Literatur, zu zeigen, dass das verdammt spannend sein kann. Ich werde den Eindruck nicht los, dass wir immer mehr in einer Welt zu leben beginnen, die mit Sprachhülsen kommuniziert. Das heißt, wir bilden unsere Urteile an Unerlebtem und begründen vieles mit Halbwissen. Ich will, dass die Jugendlichen wissen, erleben, was sie da auf der Bühne sprechen. Sie sollen wissen, dass sich ein Mensch gezwungen fühlt, aus seiner Biographie heraus so einen Text wie den Gynt zu schreiben. Diesem Impuls sollen sie folgen können, in dem sie sagen: ich muss das spielen aus dem heraus, was ich selbst erlebt habe. Und dann ist das eine Auseinandersetzung, die sehr tief geht, total an Grenzen führt. Aber wenn man die erstmal in so einer Arbeit überwunden hat, dann geht man auch anders weiter, auch lange nach dem Stück und mit einem anderen Selbstbewusstsein. Da soll es ja auch hinaus: die Jugendlichen zu (re)integrieren und zu verselbständigen. Die Theaterarbeit bietet da zweifellos gute Ansätze in der Begleitung dieses Abschnittes.

Ich wünsche Ihnen und dem Ensemble viel Glück und Erfolg für die Uraufführung!

(Das Interview führte Ute Werler, Berlin)


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